Wenn jemand geht und doch im Herzen bleibt. Wenn Trauer heilt.
- Andrea
- 31. Juli
- 4 Min. Lesezeit

Es gibt Menschen in unserem Leben, die uns vom ersten Atemzug an begleiten.
Menschen, die sich so tief in unser Herz schreiben, dass kein Abschied der Welt sie je ausradieren könnte.
Für mich war dieser Mensch meine Tante Beate. Wobei Tante klingt eigentlich falsch. Beate war vier Monate nach mir geboren, und ich habe, wie ich immer sage, auf sie gewartet. Ich kam am 31. März zur Welt, sie am 31. Juli.
Von Anfang an lagen wir gemeinsam im Kinderwagen, zwei kleine Mädchen, die eigentlich eher Schwestern waren als Tante und Nichte.
Ich verbrachte unzählige Stunden mit ihr, spielte, lachte, teilte Geheimnisse. Als ich in meiner Realschulzeit bei meinen Großeltern wohnte, waren wir unzertrennlich. Wir standen füreinander ein, trösteten uns durch schwierige Tage und lachten, bis uns der Bauch wehtat. Wir spielten im Wald und bauten uns Höhlen, wo wir stundenlang Tiere beobachten konnten. Wir machten gemeinsam Streiche und hatten den Ruf, Max und Moritz zu sein.
Dann kam das Leben
Dann kam das Leben. Familien, Jobs, der Alltag. Der Kontakt wurde weniger, wie es eben manchmal passiert. Doch wenn wir uns sahen, war wieder die direkte Verbindung da. Tiefe, inspirierende Gespräche, ehrliches Lachen, eine Verbundenheit, die einfach bleibt.
Und dann kam der Tag, an dem sie ging.

Viel zu früh. Beate hat den Kampf gegen den Krebs nicht gewonnen. Ihr Körper war erschöpft, und doch kann ich heute sagen: Ihre Seele ist geblieben.
Ich konnte mich nicht verabschieden. Das war schwer, so unfassbar schwer. Aber in der Stunde, in der sie starb, habe ich gespürt, dass sie gegangen ist. So, als würde eine unsichtbare Saite reissen und gleichzeitig blieb ihr Klang in mir bestehen.
Was ich damals nicht ahnte.
Mein Abschied dauerte sehr, sehr lange. Ich brauchte fast ein Dreivierteljahr, um überhaupt zu begreifen, dass sie nicht mehr da war. Ich verstand einfach nicht, warum der Schmerz so unendlich tief in mir saß. Warum die Trauer mich wie ein schwerer Mantel umhüllte, aus dem ich nicht herausschlüpfen konnte.
Es war, als hielte mich etwas fest und ich konnte nicht benennen, was es war.
Bis zu einem Gespräch mit meiner Mutter.
Sie erzählte mir, wie es damals war, als Beate und ich Babys waren. Wie sie uns zusammen in ein Kinderbett gelegt hat, wie wir gemeinsam in einem Kinderwagen durch die Gegend gefahren wurden.
In diesem Moment traf mich eine Erkenntnis wie ein Blitz.
Es war nicht nur die Trauer um sie.
Es war diese tiefe körperliche Verbindung, die uns von Anfang an verknüpft hatte und die nun plötzlich fehlte.
Wir unterschätzen oft, wie sehr unser Körper Erinnerungen speichert. Wie sehr er Bindungen hält, selbst wenn der Mensch, mit dem wir so verbunden waren, nicht mehr da ist. Und wenn dann jemand geht, ist es nicht nur der seelische Schmerz, den wir fühlen, sondern es ist auch der körperliche Schmerz des Loslassens.
Und dieser Schmerz braucht Zeit.
Er braucht Bewusstsein. Er braucht Momente, in denen wir wirklich hinschauen.
Seitdem weiß ich. Unsere Verbindung endet nicht mit dem Tod.
Manchmal, ganz plötzlich, spüre ich ihre Präsenz. Ich höre förmlich, wie sie lacht, spüre ihre Nähe. Und in diesen Momenten weiß ich,
Sie ist immer noch da. Nicht sichtbar, aber fühlbar.
Und gleichzeitig durfte ich lernen, dass solche tiefen Verbindungen auch Heilung brauchen. Ich bin mit ihr und auch nach ihrem Tod in eine tiefe innere Vergebung gegangen.
Mit mir selbst.
Mit ihr.
Mit allem, was vielleicht zwischen uns nicht so gut gelaufen war.
Dabei hat mir besonders ein hawaiianisches Ritual geholfen, das Ho’oponopono,
Was ist Ho‘oponopono?
Ho‘oponopono bedeutet übersetzt so viel wie „etwas in Ordnung bringen“ oder „wieder ins Gleichgewicht bringen“. Es ist ein uraltes hawaiianisches Ritual der Vergebung, das ursprünglich in Familien praktiziert wurde, um Konflikte zu lösen, Schuld loszulassen und Frieden zu schaffen.
Heute wird Ho‘oponopono oft ganz persönlich angewendet, als leises, inniges Gebet, das uns hilft, Frieden in uns selbst zu finden.
Es besteht aus vier einfachen, aber kraftvollen Sätzen:
Es tut mir leid. Bitte vergib mir. Ich liebe dich. Danke.
Diese Worte sind mehr als nur Sätze. Sie sind eine Haltung.
Es tut mir leid – ich übernehme Verantwortung für das, was war, selbst wenn ich es nicht bewusst getan habe.
Bitte vergib mir – ich öffne die Tür, um Heilung zuzulassen.
Ich liebe dich – ich erkenne die Liebe an, die immer da ist, auch unter Schmerz und Trauer.
Danke – ich drücke Dankbarkeit aus, für alles, was war, und für alles, was noch heilt.
Ich habe Ho‘oponopono immer wieder gesprochen für mich, für Beate, für unsere Verbindung. Diese vier Sätze haben in mir einen Raum geöffnet für Frieden, für Liebe, für Dankbarkeit. Und jedes Mal wurde es leichter.
Und ich möchte dich heute einladen, auch für dich zu schauen:
Gibt es Menschen in deinem Leben, mit denen du im Unfrieden bist?
Jemand, von dem du dich nicht verabschieden konntest oder jemand, der keinen Kontakt mehr zu dir möchte?
Das kann schmerzen. Und doch kannst du für dich entscheiden, innerlich in den Frieden zu gehen.
Manchmal heißt das, loszulassen, ohne die Verbindung zu verlieren. Manchmal heißt das, Vergebung zu wählen, auch wenn der andere gar nicht darum bittet.
Beate war meine Tante, meine Schwester, meine Freundin.
Sie war ein Teil meines Lebens und sie ist es immer noch.
Denn Liebe endet nicht. Sie verändert nur ihre Form.