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Mutter. Tochter. Frau. Und alles dazwischen.

Manche Geschichten beginnen nicht mit Worten, sondern mit einem Foto vom meiner Mutter und mir.

Ein Bild aus einem Fotoalbum, festgehalten in einem Moment, der längst vergangen ist und doch bis heute weiterlebt.

Ich sehe darauf meine Mutter und mich, irgendwo zwischen Kindheit und Anfang, zwischen Unschuld und Mut. Es ist mehr als nur eine Erinnerung. Es ist der Ursprung von allem, was mich geprägt hat: das Muttersein, das Tochtersein, das Frau werden.

Und vielleicht schreibe ich diesen Text heute nicht nur, um zurückzublicken, sondern, um Danke zu sagen.

An sie.

An Marianne.

Meine Mutter.


Mutter mit Kind

Mütter tragen uns nicht nur neun Monate im Bauch, sondern oft ein Leben lang im Herzen. Sie sind Ursprung, Wurzel und manchmal auch der Spiegel, in dem wir uns selbst erkennen. Manche von uns hatten eine enge, liebevolle Beziehung zu ihrer Mutter. Andere haben Wunden getragen, unausgesprochene Worte, Sehnsucht nach Nähe.

Und doch jede Mutter hat uns das Kostbarste geschenkt: das Leben selbst.

Wenn wir lernen, auf unsere Mütter mit Respekt zu schauen, mit allem, was war und nicht war, dann ehren wir auch das Leben in uns. Denn wir sind Töchter. Wir sind Söhne. Und in uns lebt das weiter, was sie uns bewusst oder unbewusst mitgegeben haben.


Darum ist dieser folgende Brief nicht nur an meine Mutter gerichtet. Er ist auch ein Dank an alle Mütter.

An die, die geblieben sind.

An die, die gegangen sind.

An die, die ihr Bestes gegeben haben, auf ihre Weise.


Liebe Mama,

ich habe heute das alte Foto in der Hand. Wir stehen in den Herrengärten in Hannover. Ich bin vielleicht drei oder vier, du bist eine junge Mutter, gerade mal 24 Jahre alt.

Du hältst mich an der Hand und ich spüre deine Liebe, dein Blick ist mir so vertraut und gibt mir das Gefühl sicher zu sein.

Ich weiss noch, wie du mir später erzählt hast, dass ich nicht geplant war. Und doch warst du mutig. Du hast dich für mich entschieden und gegen die lauten Stimmen, gegen die Zweifel, gegen die Angst.

Ich stelle mir dich damals vor, 21 Jahre alt, bei deinen Eltern, mein kleines Herz schon unter deinem. Ich spürte wohl schon damals, dass die Welt laut war.

Und trotzdem kam ich, weil du Ja gesagt hast. Dafür danke ich dir heute, aus tiefstem Herzen.

Du hast ausgehalten, was schwer war. Die Enge bei den Großeltern, das Schweigen zwischen dir und Opa Willi, das Gefühl, allein zu sein. Und trotzdem hast du mich getragen.

Du hast in dir eine Stärke gehabt, die ich heute wirklich sehe.

Dann zogst du mit mir zu Papas Eltern. Ein fremder Haushalt, streng, ordentlich, anders. Oma Gertrud mit ihrer Haushälterin und alles hatte seinen Platz, auch ich.

Du warst traurig in dieser Zeit, sagtest du später, weil du Papa vermisst hast. Aber du bist geblieben, für mich. Und ich weiss heute, dass dich das geprägt hat und mich gleich mit.

Als wir nach Hannover gingen, war es, als würde Licht durchbrechen. Papa studierte, ihr wart jung, das Leben war leicht. Ich erinnere mich an Lachen, an Sommer, an Nähe. Und auch an Momente, in denen ihr weggefahren seid, um euch selbst zu finden. Damals tat es weh. Heute verstehe ich: ihr wart junge Eltern mit einem Kind. Ihr habt versucht, euch zu entdecken als Paar und eure Liebe zueinander und ich euch nicht zu verlieren in dem, was von euch verlangt wurde.

Und trotz allem durfte ich sicher aufwachsen. Ich musste mir nie Sorgen machen.

Ich durfte frei träumen.

Dafür danke ich euch beiden.


Du, warst Künstlerin. Du hast gemalt, eingerichtet, Räume verwandelt. Alles, was du angefasst hast, bekam Seele. Ich sehe dich noch konzentriert, schön, lebendig.

Dieses Schöpferische habe ich von dir. Und wenn ich heute male, ist es, als würde ich dich wieder spüren, ruhig, in deinem Element.


Später gab es auch Brüche zwischen uns. Zeiten, in denen ich dich nicht mehr verstand, und du dich vielleicht selbst verloren hattest. Zeiten, in denen ich wütend war, traurig, hilflos. Ich musste auch mich finden und meine Grenzen erkennen für mich und meine Kinder.

Aber irgendwann kam dieser Tag, an dem du angerufen hast. Nach Jahren. Und wir sprachen stundenlang und mit so viel Liebe für einander ohne Groll, sondern ein bejahendes Gespräch zu unserer Beziehung.

Es war, als hätte das Leben uns noch einmal eine Tür geöffnet.

Und ich habe sie durchschritten, ohne Groll. Mit Liebe.

Heute weiß ich: Du warst nicht perfekt. Aber du warst echt.

Und Muttersein heißt für mich genau das – echt zu sein.

Nicht alles richtig oder perfekt zu machen, sondern dazubleiben.


Meine Mutter

Wenn ich dich heute auf dem alten Schwarz-Weiß-Foto sehe – schön, stolz, frei – dann erinnere ich mich, dass du dein Leben so gestaltet hast, wie du es für dich richtig gesehen hast. Ich erinnre mich, an die schönen Momente mit dir, die mich geprägt haben.

Ich sehe heute den Stolz, die Schönheit und Freiheit in mir,

Meine Art, zu lieben, zu schaffen, zu fühlen.

Danke, für alles. Ich ehre dich.

Für das Leben.

Für den Mut.

Für alles, was ich durch dich bin.


In Liebe,

deine Andrea


Vielleicht magst du dir heute auch einen Moment Zeit nehmen, an deine Mutter zu denken so, wie sie war, oder wie sie heute ist.

Frag sie, wie ihr Leben war.

Was sie geliebt hat.

Wovon sie geträumt hat. Hör zu, ohne zu urteilen. Nur zuhören, mit offenem Herzen.

Oder schreib ihr einen Brief. So, wie ich es getan habe. Nicht um etwas zu klären, sondern um Verbindung zu spüren.

Und wenn du sie nicht mehr fragen kannst, dann sprich in Gedanken mit ihr. Sag ihr, was du ihr nie gesagt hast. Denn diese Worte finden ihren Weg, auch ohne Stimme.

Lass dir von deiner Mutter einen Blumenstrauß voller Worte und Liebe schenken.

Er wird anders aussehen, als du erwartest, aber er wird echt sein.

 
 
 

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